„Reservelazarett“ – die Suche nach den Akten
Nach sechs Jahren langer Arbeit erschien vor Kurzem der Band „In Großer Zeit – Heimatfront Düren“, in dem ich unter anderem einen kurzen Beitrag über die psychiatrische Klinik Dürens während des Ersten Weltkriegs schrieb. Eigentlich wurde zu dem Thema bereits einiges publiziert, 2014 gab es eine große Ausstellung in Düren, in diesem Zusammenhang wurde ein Begleitband erstellt, der viele Forschungsbereiche der Klinik abdeckte. Das erleichterte den Einstieg natürlich enorm.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wird unter anderem in Düren eine „Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt“ der Rheinprovinz eröffnet, die heute zum Landschaftsverband Rheinland gehört. Aus diesem Grund werden die Patient*innenakten heute im LVR-Archiv verwahrt und können – unter besonderen Umständen – eingesehen werden. Sie sind in relativ hoher Zahl erhalten und vermitteln einen guten Eindruck der Zeit. Ein ausführlicher Artikel zu diesem Thema wurde vom ehemaligen Leiter der Klinik, Erhard Knauer, veröffentlicht. Er beinhaltet, wie viele Patienten während des Krieges behandelt wurden, an welchen Krankheiten sie litten und unter welchen Umständen sie entlassen wurden.
Ein Themenbereich, der fehlte, war die Einrichtung eines Reservelazaretts ab 1917, in dem ausschließlich Soldaten mit psychischen Erkrankungen behandelt wurden. Denn diese Akten sind nicht beim LVR überliefert, sie zu finden, dauerte etwas länger. Eine Anfrage beim Bundesarchiv, Abteilung Militärarchiv ergab, dass dort für das gesamte 19. Jahrhundert lediglich 2.000 Akten vorhanden waren. Dass sich darunter Patient*innen der Dürener Klinik befinden, erscheint eher unwahrscheinlich. Es stellte sich heraus, dass die Akten nach langem Umweg in die Deutsche Dienststelle (WASt) überführt worden waren. Die Akten waren bis 1964 Bestände der Krankenbuchlager in Kassel und München und gingen zunächst in das Krankenbuchlager Berlin über, bevor sie zwischen 2009 und 2017 schließlich in die Deutschen Dienststelle (WASt) überführt wurden (also jetzt doch wieder im Bundesarchiv liegen). Dort wurden sie dann erstmals gesichtet. Das hieß aber auch, dass sie noch nicht einsehbar waren, einige mussten zunächst restauriert werden. Trotzdem zählte man für mich nach und dabei kam etwas Überraschendes heraus, denn zwischen September 1917 und November 1918 sollen 788 Menschen behandelt worden sein, während es zwischen 1914 und 1917 insgesamt 272 nachgewiesene Patienten gab.
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Goldmann, Renate, Knauer, Erhard, Wirdeier, Eusebius (Hgg.), Moderne. Weltkrieg. Irrenhaus. 1900-1930, Essen 2014.
Trägerverein Stadtmuseum Düren e.V. (Hrsg.), In großer Zeit. Heimatfront Düren, Düren 2021.