Spaziergang auf dem alten Friedhof in Wetzlar
Ich weiß nicht, wie oft ich dort vorbeigefahren bin – am „Alten Friedhof“ in Wetzlar. Dass man dort während meiner Jugend nicht mehr beigesetzt werden konnte, wusste ich. Aber das wars. Und jetzt habe ich während eines Rundgangs mit einem Referenten erstmals mehr über den Ort erfahren. Ein unheimlich spannender, sehenswerter, schöner Ort.
Der alte Friedhof ist eigentlich der Nachfolger des noch älteren Friedhofs „Rosengärtchen“ (heute vor allem als Freilichtbühne bekannt) und wird Ende des 19. Jahrhunderts eingerichtet. Die Kapelle aus der Zeit ist nicht mehr erhalten, dort ist heute der Parkplatz. Das Areal ist ein „klassisch“ angelegter Friedhof, der durch viel grün auffällt. Das eigentlich spannende ist die Erweiterung aus den 1920er Jahren. In dieser Zeit wird ein großer Bereich ergänzt, eine neue Kapelle erbaut und auch Kaskaden, die lange gar nicht mehr genutzt wurden. Sowohl der ursprüngliche Eingang – am Parkplatz gelegen – als auch ein in den 1920er Jahren erschaffenes Tor weiter oben auf dem Gelände laden einfach zum Spaziergang auf dem Gelände ein.
Aber der Reihe nach. Auf dem Friedhof sind noch einige Gräber erhalten, auch von bekannten Wetzlarer Persönlichkeiten, wie der Familie Leitz. Da aber der Großteil der älteren Gräber bereits wieder weggeräumt wurde, entstanden zusätzliche Grünflächen, die aus dem Ort einen freundlichen Park machen. Besucht man beispielsweise den Aussichtsturm am oberen Ende (der Friedhof liegt am Berg), durchquert man eben solche Grünflächen. Der Aussichtsturm selbst bietet einen schönen Ort für kleine Pausen und einen wirklich tollen Ausblick. Auch wenn zahlreiche Bäume, auf dem Friedhof extra gepflanzt, die Sicht in manchen Teilen versperren.
Auf dem Rückweg vom höchsten Punkt des Friedhofs lässt es sich wunderbar an der expressionistischen Kapelle vorbeispazieren. An der Frontseite ist es ein unscheinbarer Bau. Innen gab es wohl in den 1920er Jahren eine außergewöhnliche Wandbemalung, die aber nicht erhalten ist (rein konnte man nicht, als ich da war). Die Rückseite liegt deutlich tiefer, dieser Unterschied ist durch sehenswerte Kaskaden geschmückt. Sie waren zwischen Ende der 1920er und den 1960er Jahre in Betrieb und wurden dann stillgelegt sowie die Becken mit Erde aufgefüllt und dann irgendwie auch vergessen. Durch Zufall stieß man in den 2000er Jahren darauf. Seit 2019 läuft hier alles wieder. Während meines Besuchs war zwar gerade kein Wasser zu sehen, aber es war trotzdem sehenswert.
An der Außenwand des älteren Teils des Friedhofs aus dem 19. Jahrhundert ist zudem ein Denkmal für die ehemaligen Zwangsarbeiter*innen aus der Zeit des Ersten Weltkriegs aus der Ukraine zu sehen. Sie mussten täglich an den Friedhofsmauern vorbei auf ihrem Weg vom Gefangenenlager zur „Arbeitsstätte“. 1919 wird ein Denkmal für sie errichtet, etwa auf halbem Weg, an den Mauern des Friedhofs. Früher auf einem Sockel etwas erhöht, liegt es heute aufgrund von Änderungen der Verkehrsführung in Wetzlar auf Höhe der Friedhofsmauer und fällt daher nicht so sehr auf, wie es wohl mal der Fall gewesen sein dürfte. Trotzdem ist es auch im Vorbeifahren kaum zu übersehen.
Insgesamt ein ruhiger, sehenswerter Ort, auf dem es viel zu entdecken oder einfach Platz für eine kleine Pause gibt.