Warum ein kritischer Blick auf Quellen wichtig ist – Kaiser Friedrich II.
Im Juli 1215 wird Friedrich II. zum römisch-deutschen König gekrönt – man könnte sagen, mal wieder. Der Enkel von Friedrich Barbarossa wird nach dem Tod seiner Eltern im Alter von zwei Jahren zum König von Sizilien gekrönt und 1212 schließlich zum römisch-deutschen König. Allerdings hat er aufgrund der langen Abwesenheit einen Konkurrenten erst nach einer wichtigen Niederlage des Welfenkönigs Ottos IV. genügend Rückhalt unter den deutschen Fürsten, um sich in Aachen krönen zu lassen. Das tut er auch und stilisiert sich hier in der Tradition Karls des Großen. Fünf Jahre später wird er schließlich in Rom zum Kaiser gekrönt. 1229 setzt er sich zudem nach erfolgreichen Verhandlungen mit Sultan al-Kamil die Krone Jerusalems auf. (Was übrigens wohl eher keine Selbstkrönung ist, da diese Vorstellung in der mittelalterlichen Lebenswelt völlig abwegig wäre).
Friedrich II. – außergewöhnlich gut dokumentiertes Wirken?
Über Friedrich II. wusste man auch unter Zeitgenossen viel zu berichten. Gleichzeitig sind diese Quellen ein gutes Beispiel dafür, die Entstehungsumstände von Quellen stets zu berücksichtigen. Die Quellenlage ist auf den ersten Blick gar nicht schlecht, es gibt verschiedene Chroniken, die aus dem Leben Friedrichs II. berichten, ebenso wie eine Reihe Pamphlete, sowohl von päpstlicher, als auch von kaiserlicher Seite. Vieles von dem, was heute über Kaiser Friedrich II. überliefert ist, stammt aber aus der Feder seiner Gegner. Es gibt keine Chronik aus dem Stauferhaus selbst, die sich mit seiner Zeit beschäftigt. So wird Friedrich II. auch nachgesagt, Jerusalem durch Verrat erhalten und sein Kreuzzugsversprechen nicht eingehalten zu haben. Außerdem soll er den Islam höher geachtet haben als das Christentum (für einen mittelalterlichen, römischen Kaiser ein schwerer Vorwurf) . Papst Gregor IX. bezeichnet ihn zeitweise sogar als den Antichristen. Diese Vorstellungen beeinflussen nun natürlich auch Zeitgenossen, die über die Herrschaft Friedrichs II. schreiben – und damit auch das Bild, das man heute von Friedrich II. hat. Wie es zu all diesen Vorwürfen kommt?
Wie entstehen die Vorwürfe gegen Friedrich II. und wie sind sie zu betrachten?
Friedrich II. gelingt es, durch Verhandlungen die Stadt Jerusalem mit Ausnahme der Al-Asqua-Moschee und dem Felsendom für das mittelalterliche, römische Kaisertum zu gewinnen. Er macht sich mit seinem Heer auf den Weg Richtung Jerusalem, führt aber statt eines Krieges lange und zähe Verhandlungen. Am Ende hat der Staufer Erfolg, Jerusalem soll für Christen wieder zugänglich sein. Ein Waffenstillstand soll das Recht auch mindestens zehn Jahre garantieren. Der genaue Text, auf den sich die beiden Seiten Friedrich II. und Sultan al-Kamil einigen, ist nicht mehr bekannt, über den Inhalt informieren mehrere übereinstimmende Briefe Friedrichs und eines Chronisten, Hermann von Salza. Daran anknüpfend folgt auch gleich der nächste Vorwurf, da der Kaiser die Stadt Jerusalem nicht im Kampf erobert hat, sondern durch Verhandlungen. Das missfällt dem Papst, der Friedrich II. nach langem Aufschieben des Kreuzzugs (das Versprechen gibt Friederich II. 1215 das erste Mal und bekräftigt es bei seiner Kaiserkrönung 1220) schließlich exkommuniziert, also aus der Kirche ausstößt. Trotzdem macht der Kaiser sich auf den Weg Richtung Jerusalem. Papst Gregor IX. und Friedrich II. geraten so in einen immer größeren Konflikt. Eigentlich ist die „Eroberung“ Jerusalems aufgrund von Verhandlungen als großer Erfolg zu sehen, der so auch einmalig in der Zeit des Mittelalters ist.
Ein Freund der Muslime?
Der Enkel von Friedrich Barbarossa wächst auf Sizilien auf und lernt dort wohl auch früh Arabisch, er interessiert sich für wissenschaftliche und philosophische Fragen und ihm gelingt schließlich die „Eroberung“ Jerusalems durch Verhandlungen. All diese Tatsachen nutzen Gegner des Kaisers, um das Bild des Freundes der Muslime zu zeichnen. Es wird zeitweise behauptet, er halte mehr vom Islam als vom Christentum, was für einen mittelalterlichen, christlichen Kaiser ein schwerer Vorwurf ist. Kann Friedrich II. dann überhaupt der rechtmäßige Kaiser sein? In der mittelalterlichen Vorstellungswelt werden König und Kaiser von Gottes Gnaden eingesetzt. Es kann also eigentlich kein Versehen sein (wenngleich es natürlich immer wieder Konflikte um den Thron mit Gegenkönigen gibt). Tatsächlich ist Friedrich II. in vielen Dingen wahrscheinlich vor allem pragmatisch. Ein ausgeprägtes Interesse für verschiedene Zweige der Wissenschaft ist durchaus denkbar. Er bemüht sich um die Einführung der arabischen Zahlen in Europa. Ob er Autor der „Sizilianischen Fragen“ ist, ist aber nicht sicher. Dabei handelt es sich um Fragen an einen muslimischen Gelehrten – auf Friedrichs Seite gibt es hier keinerlei Überlieferung. Es ist also zumindest fraglich, dass der Kaiser diese Fragen tatsächlich formuliert. Dass Muslime ihren Glauben unter Friedrichs Herrschaft frei ausüben dürfen, kann auch einfach mit der Hoffnung auf inneren Frieden zusammenhängen. Er vermeidet hier einen Konflikt mit den insbesondere auf Sizilien lebenden Muslimen.
Wie wird nun aus dem Kaiser der „Antichrist“? Kaiser und Papst liefern sich eine beachtliche, öffentliche Schlammschlacht. Darin bezichtigen sie sich gegenseitig aller möglicher Vergehen (u. a. der Kaiser als Freund der Muslime). Der Konflikt steigert sich dabei, es geht um die Frage der Vorherrschaft, steht das Kaisertum über dem Papsttum oder umgekehrt? Und es geht um weltlichen Besitz, wem soll wie viel und welches Land gehören? Dass Friedrich II. einen Zugang für Christen nach Jerusalem mittels Vertrags ermöglicht, ist Papst Gregor IX. dabei auch ein Dorn im Auge. So werden von beiden Seiten Schriften veröffentlichen, die den anderen diffamieren. Sie müden in der Enzyklika „Ascendit de mari bestia“ Papst Gregors IX. in der Friedrich II. als Antichrist bezeichnet wird. Mit ihm soll das zweite Zeitalter enden (das erste ist die Zeit des Alten Testaments, das zweite seit dem Neuen Testament bis ins Mittelalter) und das dritte beginnen.
Was bleibt also?
Der Kaiser ist wohl bereits unter Zeitgenossen eine beachtliche Persönlichkeit, er wird entweder als „stupor mundi“ (Staunen der Welt) oder eben als Antichrist bezeichnet. Und auch in den folgenden Jahrhunderten erfährt er unterschiedliche Betrachtungen. Nicht selten wird dabei der Entstehungshintergrund einiger Quellen übersehen, so dass ein schiefes Bild entsteht. Gerade in der Frage, ob Friedrich II. nun ein Freund der Muslime war, wird das mittelalterliche Weltbild aber auch die Intentionen Papst Gregors IX. in seinen Schriften nicht selten ignoriert. Also an dieser Stelle der Appell, immer auch die Entstehungsgeschichte einer Quelle zu berücksichtigen und nicht einfach nur den Inhalt zu übernehmen.
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(Der Inhalt ist in großen Teilen aus der Vorbereitung meiner mündlichen Masterprüfung 2011 an der Universität Konstanz)
Literatur:
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- Gabrieli, Francesco, Friedrich II. und die Kultur des Islam, in: Wolf, Gunther (Hrsg.): Stupor Mundi. Zur Geschichte Friedrichs II. von Hohenstaufen, Darmstadt 1982, S. 76-94.
- Leder, Stefan, Der Kaiser als Freund der Muslime, in: Fansa, Mamoun (Hrsg.), Kaiser Friedrich II. (1194-1250). Welt und Kultur des Mittelmeerraums; Begleitband zur Sonderausstellung im Landesmuseum für Natur und Mensch, Mainz 2008, S. 83-91.
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- https://de.wikipedia.org/wiki/Gregor_IX.
- https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_II._(HRR)