Katharina von Siena – politisch engagiert
Bereits 2011 – also vor zehn Jahren, habe ich meine Masterarbeit geschrieben. Vor einigen Tagen fiel mir im Gespräch wieder ein, wie vielseitig und facettenreich sie als Persönlichkeit war. Woher wir etwas über ihr Leben wissen? Wohl vor allem aus der Legenda Maior aus der Feder ihres Beichtvaters Raimund von Capua. Ich beschäftigte mich mit der Rezeption in Frankreich, das aufgrund des abendländischen Schismas erst später mit der Heiligenvita in Berührung kommt. Aber wer war die junge Frau aus Siena, die zeitweise mit dem Papst verhandelt?
Das Leben Katharinas von Siena
Die heutige Schutzpatronin Europas, Katharina von Siena, ist bereits im 14. und insbesondere im 15. Jahrhundert eine der bemerkenswertesten Persönlichkeiten, die großes öffentliches Interesse erregt. Sie wird 1347 in Siena geboren und tritt trotz heftigem Widerstand ihrer Eltern um 1364 in den Drittorden der Dominikanerinnen in Siena, den so genannten Mantellate, ein. Zunächst widmet sie sich karitativen Aufgaben, bevor sie um 1370 politisch aktiv wird und ihre Brüder während des Umsturzes in Florenz in Sicherheit bringt. Vier Jahre später muss sie sich vor dem Generalkapitel des Dominikanerordens für ihre Lebensweise rechtfertigen, die für rechtgläubig befunden wird. Als Beichtvater wird ihr Raimund von Capua zur Seite gestellt. Unter seiner Leitung beginnt die Sieneserin, sich für kirchenpolitische Probleme einzusetzen. So reist sie 1376 nach Avignon, wo sie Papst Gregor XI. zur Rückkehr nach Rom bewegen kann. Dieser beginnt bald darauf seine Reise vorzubereiten und trifft schließlich im Januar des folgenden Jahres in Rom ein. Er stirbt jedoch, bevor er das Papsttum dort wieder vollständig etablieren kann. Unter seinem Nachfolger Urban VI. bricht 1378 das abendländische Schisma aus, da nicht alle Kardinäle die Wahl als legitim betrachten. Katharina unterstützt stets die Partei Urbans und erklärt dessen Rechtmäßigkeit. Während ihrer letzten zwei Lebensjahre wirkt die Sieneserin in Rom, wo sie 1380 stirbt. Im Jahr 1461 wird sie von Papst Pius II. heilig gesprochen.
Quellen von und über Katharina von Siena
Es sind außergewöhnlich viele Briefe von Katharina von Siena erhalten, die einen Einblick in ihr Weltbild geben. Dies ist für das Mittelalter außergewöhnlich. Zum einen, da es eine große Zahl ist, die überliefert ist. Aber auch die Adressaten – auch hier ist der Papst wieder darunter. Aber über das Leben liefert insbesondere die Vita aus der Feder ihres Beichtvaters die wichtigste Quelle. Bereits kurz nach ihrem Tod, 1385, beginnt Raimund von Capua die Arbeit an der Vita Katharinas, die zehn Jahre darauf fertiggestellt wird. Die so genannte Legenda Maior, deren Titel bewusst in Anlehnung an die Heiligenvita Franziskus’ von Assisi gewählt wird, steht in der Tradition mittelalterlicher Legenden. Sie zeigt die vorbildhafte Lebensweise Katharinas auf, die es nachzuahmen gilt. Das Ziel ist die Heiligsprechung Katharinas von Siena. Die Legenda Maior erfährt, wie die meisten hagiographischen Texte, eine beträchtliche Verbreitung, was sich auf die intensive Heiligenverehrung im 15. Jahrhundert zurückführen lässt. Katharina von Siena nimmt für den Dominikanerorden insofern eine besondere Stellung ein, als dass sie zum Pendant des Volksheiligen Franzikus stilisiert wird, eine Lücke, die der Predigerorden bis dato nicht angemessen hatte schließen können. Denn der Ordensgründer Dominikus schafft es nicht, eine ähnliche Verehrung zu erreichen.
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Bild:
Bibliothèque Virtuelle des Manuscrits Médievaux.
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Literatur:
Brakmann, Thomas, >Ein geistlicher Rosengarten<: die Vita der heiligen Katharina von Siena zwischen Ordensreform und Laienfrömmigkeit im 15. Jahrhundert; Untersuchungen und Edition, Osnabrück 2011, S. 230-235.
Jungmayr, Jörg (Hrsg.), Die Legenda Maior (Vita Catharinae Senensis) des Raimund von Capua. Edition nach der Nürnberger Handschrift Cent. IV, 75, Übersetzung und Kommentar.
Signori, Gabriela, Hamburger, Jeffrey F. (Hgg.), Catherine of Siena. The Creation of a Cult, Turnhout 2013.